Martin Schick, Mai 1999

Zur Malerei von Bernhard Walz

Mitten in den schlappen Achtzigern, als die letzten Tiefausläufer der Müden Wilden noch den Akademiestil vorgaben, hat doch einer der Maler-Professoren den staunenden Studenten, denen diese distinguierte Borniertheit reichlich die Kinnladen runter klappen ließ, gesagt Kunst müsse prickeln wie Champagner. Das war dann auch schon wieder fast eine Revolte.
Ein Stockwerk drüber hat damals der Student im Grundsemester, Bernhard Walz noch leidenschaftlich Stilleben mit Äpfeln gemalt. Nach all den Jahren ist dann die stilpluralistische Champagnerkunst doch zu Ehren und Verbreitung gekommen. Bernhard Walz aber hat sich in einer kontinuierlichen Entwicklung zwischen den Kernen der jüngeren Malereigeschichte durch sein Medium gekämpft. Heute zetteln gerade seine neuesten Bilder eine Malerei an nach der Devise: "Kunst muss krachen wie ein Schallmauerbruch". Sie kommt aus extremer Dynamik, bleibt zielgerichtet und wohl überlegt, ohne jede ausschmückende oder abbildende Attitüde ganz der Ehrlichkeit des malerischen Materials verpflichtet.

"Malen ist Malen" sagt Walz, dass er aber in anderen Medien durchaus Qualitäten schätzt, die er auch in der Malerei fordert, hört man heraus, wenn er etwa über Musik redet: "Ein guter groove muss her, rotzig, drängend, aber klar durchhörbar, kein Brei". Nein, breiig zufällig oder konturlos sind Walz Bilder keineswegs. Sie haben Achsen, Hauptrichtungen, manchmal sogar so etwas wie einen trickfilmartigen Vorder- und Hintergrund. Lockere Struktur, nicht Konstruktion verleiht der Wucht ihren Halt. Wir sind mit einer ungeheuren Präsenz konfrontiert. Vor unseren Augen stehen Halbreliefs, Gebilde aus erstarrtem Acrylgel in sehr dicker, so noch nicht gesehener Konsistenz. Der ungewöhnlich großzügige Maßstab selbst kleinerer Arbeiten gibt ihnen die Wirkung von stark vergrößerten Pinselhieben und lässt alles um sie herum pingelig erscheinen - Ausschnitte von Malerei aus einer anderen Welt. Grellste Kontraste, die starke Leuchtkraft reiner Farben in literweise hochpigmentierten Acrylmassen blenden den Betrachter - und den Bildträger völlig aus, weil störende Reste der Grundplatte nachträglich entfernt werden. Sie erscheinen dadurch wie in die Luft gemalt.

Schließlich die Farbwerte: Ein Eimer Caramelpudding klatscht an die Küste eines Brombeereismassivs, das von einer Schaufel grünem Slime gequetscht und von einer Bugwelle Aralblau ausgebremst wird, bevor ein Straßenbesen einige Liter Bratwurstbrät durchs Bild schiebt. Man ahnt, daß diese Malerei in wenigen Augenblick geschieht, die alle Erfahrung und Konzentration des Malers brauchen, um die Durchdringung von Bewegung und Farbe in einem günstigen Moment zu erreichen - und vor allem zu beenden. Stehen bleibt der Höhepunkt einer Aktion, der hochgezoomte Moment des Aufeinanderprallens von Farbmassen und Farbbewegungen. Bewegung kommt dabei nicht aus der Hand. Sondern aus dem ganzen Körper. Pure, extrahierte Malerei-Malerei, die in der Überformulierung autologischen Selbstzitierens ihre Präsenz als eigenständige Ausdrucksform auf sehr sinnliche Weise einfordert.

Obwohl die kontrollierte Entfesselung der Mittel vorführt was Malerei ist und wie weit sie gehen kann, wirkt sie dabei nie didaktisch sondern befreiend. Malen als Handlung im Bild: Natürlich ist Jackson Pollock einer der Kerne, an denen sich Walz entlangbeschleunigt hat. Und wie dieser es tat, Arbeitet auch er auf dem Boden. Auf andere Kerne mag er gerade zusteuern, aber wie immer nur um früh schon wieder abzudrehen. Die Schwingungen der langsamen, intensiven Weiterentwicklung Walz?scher Malerei waren meist nicht im Akkord mit dem Zeitgeist, aber immer unaufhörlich und drängend in die Gegenwart gerichtet, kein Ausruhen, kein Champagner immer dem Bruch der Bildmauer entgegen.

Martin Schick