Stuttgarter Zeitung, Dienstag 4. März 1997 / von Adrienne Braun
Die Farbe quillt unterm Spachtel
Die Ausstellung „Zeitvergleich“ in der Galerie der Stadt Backnang im Turmschulhaus
Kann man das noch als Bild bezeichnen? Bernhard Walz hat die Farbe
so dick aufgetragen, dass sich fette, teigige Hügel über
die Leinwand ziehen. Links und rechts über den Bildrand quillt
die Farbe hinaus. Bernhard Walz geht es um das Material an sich. Mit
dem Spachtel trägt er sein schaumiges, zähes Farbgemisch
- Acrylpaste ist es - auf die Leinwand. Was entsteht, ist eher Relief
denn Bild. Man will die Hügel berühren, spüren, wie
sich diese grellen, fröhlichen Farbflecken anfühlen. Walz
ist einer der drei Künstler, die im Backnanger Turmschulhaus
in der Ausstellung „Zeitvergleich“ nun ihre Arbeiten zeigen.
Sie alle sind Anfang dreißig, stehen nach ihrem Kunststudium
also noch relativ am Beginn ihrer Laufbahn. Im Turmschulhaus soll
nicht nur das aktuelle Schaffen der jungen Künstler gezeigt werden,
sondern auch ihr Werdegang. Interessant und überraschend sind
die älteren Arbeiten von Walz, die während seines Studiums
an der Stuttgarter Kunstakademie entstanden sind. In zarten Stilleben
malte er zwar bekannte Gegenstände - Tasse oder Äpfel -
, doch zeigte er diese Objekte in einem unwirklichen, fremdartigen
Raum.
Wolfgang Kessler ist überwiegend mit Fotoarbeiten vertreten.
Er beobachtet Frauen mit der Kamera, fängt sie nahezu lebensgroß
ein, während sie irgendwelchen gestellten Tätigkeiten nachgehen.
Er schafft einen Gegensatz zwischen Modell und Inszenierung einerseits
und der technischen Umsetzung andererseits. Denn Kesslers Fotografien
sind unscharf, gerade so, als seien sie spontan entstanden, als seien
es Schnappschüsse. Um das Thema Verhüllen/Verdecken kreist
Kessler in einer Porträtserie. Er hat Köpfe mit Mullbinden
umwickelt. Das Bild selbst hat er zusätzlich mit schwarzer Gaze
bespannt. So werden Ausschnitte des abgebildeten Kopfs frei gegeben
und zugleich verfremdet.
Franziska Statkus wirkt stilistisch noch unsicher. Sie malt Figurengruppen,
die sie in Landschaften platziert. Ihre Arbeiten - Zeichnungen und
Gemälde - sind erzählerisch, zeigen Situationen, die für
Statkus mit einer Geschichte verbunden scheinen. Mal sind sie illustrativ
und erinnern an Abbildungen aus Schulbüchern, mal sucht sie inhaltliche
Tiefe, die sich nur schwer nachvollziehen lässt.
Die Ausstellung „Zeitvergleich“ ist bis zum 31. März
zu sehen. Geöffnet ist die Schau freitags und samstags von 15
bis 16 Uhr, sonn- und feiertags von 11 bis 12.30 und von 15 bis 18
Uhr.
Adrienne Braun